Erst Anfang des 20. Jahrhunderts nahm eine breitere Öffentlichkeit das Schicksal der damals als „Krüppel“ bezeichneten Körperbehinderten zur Kenntnis. Die erste „amtliche Zählung der krüppelhaften Schulkinder“ in Bayern aus dem Jahr 1907 ergab die Zahl von 10.000 Kindern für ganz Bayern und 600 für die Stadt Nürnberg.
Betroffen waren zumeist Kinder aus den ärmeren Bevölkerungsschichten, da oftmals Rachitis, Tuberkulose, Unterernährung oder Kinderlähmung die Ursache der Behinderung waren.
Mit dem jüdischen Arzt Leonhard Rosenfeld, der sich seit den 1890er Jahren durch Vorträge und Fachaufsätze für die Krüppelfürsorge engagierte, gingen von Nürnberg wichtige Impulse auf diesem damals wenig beachteten Gebiet aus. Rosenfeld war auch die treibende Kraft für die Gründung des „Vereins für Krüppelfürsorge in Nürnberg“ im Jahr 1909. Durch die offene Fürsorgearbeit des Vereins – von Beratung, über finanzielle Unterstützung bis zu orthopädischen Hilfsmitteln – und frühzeitige Operationen gelang es, einen Großteil der Kinder zu heilen.
Der 1923 gegründete Selbsthilfebund (später Reichsbund) der Körperbehinderten verfügte Ende der zwanziger Jahre mit 400 Mitgliedern in Nürnberg über die zweitgrößte Ortsgruppe nach Berlin. In ihm organisierten sich vor allem von der Fürsorge nicht recht zeitig oder erfolglos behandelte Fälle, die sich gegenseitig unterstützen und ihre Forderungen in die Öffentlichkeit trugen.
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Volksschulklasse mit körperbehinderten Schülern im Wichernhaus. Lehrer Eckhard (im Hintergrund) legte besonderen Wert auf die Erziehung der Kinder zur Selbständigkeit, im späteren Erwerbsleben bestehen zu können.
Fotografie 1931)
Im Oktober 1925 eröffnete die Rummelsberger Diakonie in den Gebäuden der ehemaligen Nürnbergischen Universität in Altdorf das Krüppelheim Wichernhaus, mit 200 Betten die größte Einrichtung für körperlich Behinderte in Bayern. Orthopädische Klinik, Schule und Werkstatt der Korbflechter.
(Fotografie 1950er Jahre)
Flugblatt des Reichsbundes der Körperbehinderten, Ortsgruppe Nürnberg e.V. aus den 1920er Jahren. Gegründet wurde die Selbsthilfeorganisation durch den im Altdorfer Wichernhaus lebenden Schriftsteller Otto Perls.
Bereits seit 1911 verfolgte der „Verein für Krüppelfürsorge“ Pläne für ein Krüppelheim, in dem körperbehinderte Jugendliche nicht nur orthopädisch behandelt, sondern auch eine schulische bzw. handwerkliche Ausbildung erfahren sollten.
Nach mehreren Zwischenlösungen konnte der Verein 1927 in Schwaig bei Nürnberg ein großzügiges Heim – das spätere Haus Wieseneck – eröffnen.